Über den Abschied

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Und dann ging sie. Ein Lächeln, das so vieles zeigte: Dankbarkeit für die gemeinsame Zeit, für die Jahre, in der wir Kollegen waren, Rührung wegen des Geschenks, das wir alle ihr zum Abschied machten. Sie freute sich über unser Kommen. Sie lächelte die ganze Zeit, auch dann noch, als sie die Dinge zusammenpackte, die sie mit sich nehmen würde. „Trinkt und esst den Rest“, sagte sie und winkte immer wieder ab, wenn wir ihr ihre Leckereien in die Körbe stecken wollten, die wir nicht ganz gegessen hatten. „Ist für euch, alles für euch.“ Das freute uns natürlich.

Nicht alle kannten sie so gut wie manche, die sie inniger umarmten als ich und die meisten von uns. Sie lächelte die ganze Zeit. Wir wünschten ihr eine gute Zeit, sie hatte ein Kind, ihr Mann verdiente, sie musste es nicht eilig haben, um etwas Neues zu suchen. Sie sagte uns, dass sie die nächste Zeit Mutter sein würde, der Rest käme im Anschluss.

„Kannst ja zu uns zurückkommen“; meinten wir, jeder von uns mit anderen Worten, aber gleicher Ansicht, und sie lachte jedes Mal. „Mal sehen, ja.“ 

Heute geben wir zu, dass wir es ahnten, aber nie darüber sprachen. Wir wissen, dass wir wussten, was wir verdrängten: Ihr Lächeln war keins. Wir wussten. dass sie sich nicht darüber freute, zuhause beim kleinen Kind zu bleiben. Wir wussten, dass sie litt, als sie sich verabschiedet hat. Ihr Lächeln hat uns sagen wollen „Ich vermisse euch schon jetzt“ – euch, das waren wir, das galt uns, die ihr zugelächelt haben, als sie ging, obwohl sie bleiben wollte, weil zuhause eine Hölle auf sie wartete von der wir schon längst zwischen den Zeilen gehört hatten. Von ihrem Mann, der ihr Leben zerstörte und ihre Seele brach, sodass sie Angst vor jedem Heimkommen hatte. Bei uns zu sein, mit diesem Job, den wir ihr unterstellten, gerne los zu werden, war für sie ein Bad in Normalität, das sie genoss.

Wir haben es gewusst und nichts gesagt. Ihr Kind wird sie schützen, haben wir gemeint, ihre Aufgabe wird sie davor bewahren, von Mann und Leben ausgezehrt zu werden. 

Wie sehr ich mich an ihr Lächeln erinnere. „Ich sehe euch nie wieder“, hat es gesagt, und es war Gewissheit. 


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