Kommentar: Kommunikation in Krisenzeiten

Kommentar: Kommunikation in Krisenzeiten - https://opunktkpunkt.de
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Was soll ich sagen und wie, wenn ein Ereignis wie ein Krieg die Welt erschüttert wie seit ein paar Tagen? Wäre es nicht besser, eine Zeitlang zu schweigen, anstatt meiner Agenda, meinem Redaktionsplan und meinem Antrieb zu folgen? Genau das habe ich mich in den letzten Tagen gefragt. Der Angriff auf die Ukraine ließ mich stocken und brachte meine Pläne durcheinander. Eigentlich hatte ich vor, weiter fleißig Artikel zu verfassen und schrittweise im Blog zu veröffentlichen. Auf meiner Festplatte sammeln sich Ideen und Texte, ebenso Bildentwürfe. 

Allerdings kamen mir diese Pläne ab Ausbruch des Kriegs unpassend vor. Ich hätte natürlich so tun können, als sei nichts passiert – aber damit hätte ich mich unwohl gefühlt. 

Über Kommunikation zu kommunizieren, stellt Fragen

Wie geplant über Kommunikation zu kommunizieren bringt doch mit sich, dass man sich die Fragen stellt, was die Leserschaft davon hält — aber auch, wie ich mich selbst beim Kommunizieren fühle. Schließlich schreibt und veröffentlicht man nicht einfach nur in einem thematischen Umfeld, sondern auch in einem zeitlichen. Und genau hierauf kommt es doch an. Mir kam es zum einen unangemessen vor, etwas zu meinen Themen wie geplant zu veröffentlichen; zum anderen habe ich mich aber auch selbst außerstande gesehen, zu schreiben und zu veröffentlichen. Ich war geschockt. Ich war besorgt. Ich machte mir Gedanken. Und deshalb hatte ich keine Lust, einfach weiterzumachen. Ich sah stattdessen die Notwendigkeit, ein paar Tage Pause einzulegen. Für mich war das der authentischste Weg, mit der Situation umzugehen.

Die Frage nach der eigenen Moral

Schnell spreizt sich das Spektrum auf in »Die eigene Agenda ist komplett unangemessen« bis zu »Die Welt dreht sich weiter.«  Doch was heißt das im konkreten Fall für mich selbst, der öffentlich kommuniziert? 

Ich halte beides für richtig wie für falsch, denn ich sehe für mich einen Mittelweg am passendsten. Dass die Welt sich weiterdreht, ist ja unbestritten. Das hat sie immer getan und wird sie immer tun. Supermärkte haben weiter geöffnet, Busse und Bahnen fahren unverändert, in Krankenhäusern läuft alle wie gehabt, Gastronomien haben weiter geöffnet und in den Unternehmen erscheinen ebenfalls alle zur Arbeit. Warum also sollte ich eine Pause einlegen und dies mit meiner eigenen Moral begründen müssen? Es stimmt, meine Artikel sind nicht meine reguläre Arbeit, ich habe es selbst in der Hand. Aber dennoch hatte und habe ich ein Ziel, warum sollte es nun weniger Wert sein als die anderen Tätigkeiten?

Die Sache ist: Es ist nicht weniger wert als die anderen Tätigkeiten. Es ist in diesem Moment nur nicht ganz so entscheidend. Der Wert verliert nicht durch einige Tage Schweigen. Ich hatte das Bedürfnis, mich einfach ein wenig zurückzunehmen. Auch um meiner selbst willen — ich hätte mich zwingen müssen, keine Pause einzulegen. 

Auch Zielgruppen brauchen Respekt

Ein Artikel zu welchem Thema auch immer ist der Akt eines konkreten Senders, Empfänger zu finden. Doch für mich sind Empfänger in erster Linie Menschen wie ich, die von der Situation ebenso geschockt sein mochten wie ich. Für mich war immer klar, dass es »die Zielgruppe« als bloßes Etikett nicht gibt, auf die ich mein eigenes Handeln ausrichten konnte — es waren konkrete Personen, die sich ebenso Gedanken machten, ebenso ständig nach Nachrichten jagten, weil sie nicht fassen konnten, was gerade passierte. 

Die ersten Tage waren wie ein stürmisches Wasser. Alles war hektisch, die Nachrichten überschlugen sich, es gab von überall eine enorme Flut an Informationen; wie all das aufnehmen und verarbeiten? Ich fühlte mich ja selbst überfordert von der Informationsüberflutung. Ich wollte in dieses stürmische Meer dann nicht auch noch meine Dinge hineinwerfen, die Informationsflut noch größer machen. Ich wollte niemanden beleidigen, indem ich darauf hoffte oder behauptete, meine Artikel hätten den gleichen Wert wie alles andere in diesen Tagen. Mir war es wichtig, ihre eigene Verfassung zu respektieren. Der Grund: Ich fühlte mich selbst von manchen Versuchen anderer überfordert, die weitermachten, als wäre nichts geschehen. Nicht, dass ich mir Gedanken über diese Personen machte; ihre Themen fühlten sich für mich wie Nadelstiche an. Sie relativierten nicht die Ereignisse, sondern meine eigene Verfassung; und das stieß mir bitter auf. Ich wollte rufen »Könnt ihr nicht einfach respektieren, dass ich Ruhe brauche?« 

Ich wollte anderen nicht das gleiche antun und habe ein paar Tage meine Pläne unterbrochen. Ich fühlte mich angeschlagen durch die neue Weltlage und brauchte gewisse Zeit für mich. 

Wann sich die Welt weiterdreht

Bislang habe ich mir nie die Frage gestellt, wann sich die Welt für jemanden im Einzelnen oder für ganze Gruppen im Allgemeinen weiterdreht. Der Versuch einer Antwort stellte sich mir erst jetzt wie von selbst ein: Wenn man vom Aktuellen erschöpft genug ist. Wenn der Kopf sagt, dass es nicht nur um das eine Thema drehen kann, weil man sonst verrückt wird. 

Wann dieser Zeitpunkt gekommen ist, ist sicher individuell. Aber es scheint mir eine Schwelle zu geben, eine Art unsichtbaren Rubikon, den eine Gesellschaft und ihre Gruppen kollektiv überschreiten, um wieder Platz für Aspekte des »normalen Lebens« zu haben. Wenn man nicht mehr sensibel auf die Themen reagiert, die einen zuvor interessiert oder gebannt haben, sondern sich wieder offen und interessiert zeigt. Es ist eine Schwelle der Aufmerksamkeitsverschiebung, und ich denke, dass mir und allen guttut, das Überschreiten dieser Schwelle abzuwarten. 

Ich sehe mich nun auf dem anderen Ufer und auch, dass »die normale Kommunikation« langsam zurückkehrt. Das war zu erwarten. Und die Pause? Die hat sich aus meiner Sicht gelohnt.


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